Buchrezensionen Team Bellini

Buch­rezension von Sandra

«Wie gut kennt man den Partner? Wie geht man mit dem Ungewissen um?»

In ihrem neuen Roman wirft Ursula Fricker erneut virulente Themen unserer Gegenwart auf. Fangspiele lotet die Ambivalenz von Kunst und Selbstaufgabe aus, lässt Gewissheiten zerbröseln, erzählt von manipulativer Macht und der bestürzenden Bereitschaft, ihr zu verfallen.

Ines und Lenni, eine über Jahrzehnte gefes­tigte Liebe, eine vertrauensvolle Partner­schaft. Sie Dermatologin und er Landarzt, leben sie mit ihrer Tochter, die Cello spielt, im Berliner Umland. Von ihrem Haus aus ist in der Senke der schieferfarbene See zu sehen, kein großer See, ein fehlendes Puzzle­teil, wie Ines immer sagt, als fehlte ausge­rechnet dort das letzte Puzzleteil der Erde. In ihr Leben, das der beste Freund eindeutig zu kitschig findet, platzt die charismatische Edda hinein. Mit ihrer Idee von absoluter Kunst wird sie für Ines zunehmend zum Faszi­nosum. Die spricht plötzlich von unerfüllten Jugendträumen und vernachlässigt alles, was ihr einmal wichtig war – ihre Tochter, ihren Beruf, Lenni. Als Edda sie für ein innovatives Theaterprojekt gewinnen will, lässt Ines ihr altes Leben fallen und stiehlt sich einfach davon.

Die Autorin schafft es mit jedem ihrer Bücher, fein und differenziert die Sichtweisen der Protagonisten glaubhaft zu definieren. In dieser Geschichte konnte ich mich mit jeder Figur  identifizieren, hab mitgefühlt und mitgelitten und dank den wunderbaren Beschreibungen der Umgebung mich wie in einem Film gewähnt. So viele Themen sind verwoben: Trauer, Machtspiel, Emanzipation, Ablösung, Liebesgeschichte, Familiengeschichte. Und weil alles aus der Perspektive des Mannes erzählt wird, hatte es für mich (als Frau) einen zusätzlich besonderen Reiz. Ein spannendes Psychogramm einer Familie, die sich plötzlich mit einem neuen Lebensentwurf auseinandersetzen muss.

Fangspiele Kopie
«Fangspiele» von Ursula Fricker
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Buch­rezension von Urs

«Tom Sawyer und Huckleberry Finn mit neu verteilten Rollen.»

Jim hat keinen Familiennamen, denn er ist Sklave, der Miss Watson und Richter Thatcher gehört. Sein Freund ist Huck (Huckleberry Finn) dessen Freund wiederum Tom Sawyer ist – und schon sind wir mittendrin in Mark Twains Erzählung, die wir doch noch von viel früher kennen, am Mississippi in den Südstaaten der USA. Die Rollen sind allerdings ganz anders verteilt, denn im Zentrum des Romans steht der des Lesens und Schreibens mächtige, flüchtige Sklave Jim, über weite Strecken begleitet von seinem jugendlichen weissen Freund Huck. Jim ist meist nachts unterwegs, weil er sich verstecken muss, ernährt sich von Fischfang und lernt auf seiner Flucht verschiedene obskure Gesellen kennen, die versuchen die Rechtlosigkeit eines flüchtigen Sklaven auszunützen.

Percival Everett ist ein bekannter US-amerikanischer Autor und Professor für Englische Literatur an der University of Southern California. Er beschreibt in geradlinigen, kurzen Sätzen die Flucht des Sklaven Jim entlang dem Mississippi. Die Erzählung in der Ich-Form lässt uns Leser teilhaben an einem Roadtrip per Floss, Kanu und zu Fuss in der Mitte des vorletzten Jahrhunderts, geprägt von der Angst als rechtloser Sklave aufgegriffen zu werden. Jims Ziel ist seine Familie, Frau und Tochter, und auch sich selbst zu befreien, ein fast unmögliches Unterfangen auch wegen der Tatsache, dass gegen Ende des Romans der amerikanische Bürgerkrieg ausbricht, in dem die Staaten im Norden den Südstaaten, welche die Sklaverei beibehalten möchten, gegenüberstehen. Wir lesen ein berührendes Zeitdokument zur Rassenfrage, mit welchem sich auch die gegenwärtige Situation in den USA besser verstehen lässt. Ein Zeitdokument, in dem der rechtlose Jim seine Identität, eine andere Sprache findet, zu James wird und schliesslich auch seine Familie befreien kann. Aus einem Nigger wird ein selbstbewusster Black Man. Eine in einfachen, einprägsamen Worten gestrickte Geschichte wie eine Blues Melodie mit gutem Groove, bei der die Sprache eine zentrale Rolle spielt! Wichtig!

James
«James» von Percival Everett
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Buch­rezension von Carolin

«Die einfache Geschichte eines tasmanischen Mannes, der durch sein Leben reist.»

Ned West träumt davon, mit seinem eigenen Boot auf den Fluss hinauszusegeln. Ein Boot, das hieße Freiheit, offenes Wasser, fischreiche Riffe, Lagerfeuer an versteckten Stränden – all das weit weg von Limberlost, ihrer Farm, wo sein von Existenzsorgen gequälter Vater sich nach Neds großen Brüdern sehnt. Die kämpfen irgendwo im Zweiten Weltkrieg, während Ned – zu jung um eingezogen zu werden – so viele Kaninchen jagt, bis er mit dem Erlös für die Felle tatsächlich ein kleines Holzboot kaufen kann. Mit viel Liebe setzt er es instand. Doch dann geschieht etwas, dass Ned zwingt, von einem Tag auf den anderen erwachsen zu werden.

Dieses Buch habe ich angefangen zu lesen ohne vorher den Klappentext durchzulesen und auf den ersten 30 Seiten habe ich nicht gewusst, wie und wo ich die Geschichte einordnen soll – doch dann hat sich mir das ganze Menschenleben von dem jungen Ned West auf dem wilden, wurzeligen, trockenen Tasmanien in einer Schönheit und Sanftheit und Vielschichtigkeit offenbart- das hat mich nur so durch die Seiten fliegen lassen. Für alle die stille Bücher, historisch-nostalgische, Nature Writing und tiefgehende Lebens-und Liebesgeschichten mögen.

Limberlost
«Limberlost» von Robbie Arnott
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Buch­rezension von Sandra

«Eine Liebeserklärung an das einfache Leben, an menschliche Nähe und an die Schönheit der Natur.»

Als Polly Morland das Haus ihrer Mutter ausräumt, findet sie eine alte Ausgabe von John Bergers Buch »A Fortunate Man«, das von einem Landarzt erzählt, der in einem abgelegenen Tal arbeitete. Berührt von seiner Geschichte begibt sich Morland auf die Reise, die Frau kennenzulernen, die heute seine Praxis betreibt. Sie begegnet einer Ärztin, die eine Seltenheit ist in der modernen Medizin: Sie kennt ihre Patienten in- und auswendig, und ihre Geschichten sind eng mit ihren eigenen verwoben. Morlands Bericht ist eine bewegende Liebeserklärung an eine besondere Landschaft, an eine Gemeinschaft und vor allem eine wunderschöne Meditation darüber, was es bedeutet, eine gute Ärztin und ein guter Mensch zu sein.

Was für ein zutiefst menschliches Buch, das mich sehr bewegt hat. Die kreative Mischung aus Reportage und Lebensbericht, angereichert mit schönen Schwarz-Weiss Fotografien von Richard Baker, haben es mir insbesondere angetan.  Die Autorin hat viele Interviews mit der Landärztin geführt und sie begleitet, und ihr ist ein wunderbares Porträt gelungen. Es ist gepaart mit wunderbaren Naturbeschreibungen und Beschreibungen der Landschaft, in der die Ärztin arbeitet. Zudem ist es ein zwingend aktuelles Buch zur Gesundheits-Debatte die wir führen. Wie benötigt der kranke Mensch und wie funktioniert unser Gesundheitssystem am besten?

Ein-glückliches-Tal
«Ein glückliches Tal » von Polly Morland
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Buch­rezension von Carolin

«Ein glänzendes literarisches Debüt.»

Zwei Männer am See, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Der eine fast achtzig, redselig und direkt. Der andere sein Neffe, unschlüssig und als Musiker gescheitert. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg nach Storsenn, um im Herbst angeln zu gehen. Ivar ist entschlossen, seinem tollpatschigen, aber nicht völlig hoffnungslosen Neffen alles beizubringen, was er wissen muss – über das Angeln, die Kunst und das Leben.

Was für eine Entdeckung. Ich habe diese knapp 180 Seiten in einem Rutsch inhaliert und mich laut schlapp gelacht und fantastisch amüsiert. Ein nordisch liebenswertes, kluges Buch über einen kratzigbürstigen, kauzigen Achtzigjährigen, der seinem Neffen in Sachen Fischfang, das Leben und die Liebe auf die Sprünge hilft und den ich am Ende jedem Sohn, jedem Vater und jedem Mann im Leben wünschen würde. Ein sehr humorvolles Buch mit Tiefgang.

Das-Fischerhaus
«Das Fischerhaus» von Stein Torleif Bjella
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Buch­rezension von Carolin

«Der Garten als Lehrmeister.»

Als Katrin de Vries nach Jahren in der Großstadt zurück in ihre Heimat zieht, in ein Backsteinhaus in Ostfriesland, zu dem auch ein großer Garten gehört, ist sie noch überzeugt: Rasen gehört gemäht, Unkraut gejätet und morsche Bäume sollten gefällt werden. Doch nach und nach ändert sich ihre Vorstellung von Naturschönheit, ja von Natur überhaupt, und sie wagt sie einen neuen Ansatz: Statt den Garten nach herrschenden Vorstellungen zu gestalten, lässt sie den Bäumen, Gräsern, Büschen und Blumen vor ihrer Haustür freien Lauf. Und während es um sie herum wächst, wimmelt und sprießt, beobachtet sie und lernt – und muss dabei unweigerlich an ihre Großeltern denken, für die der Garten noch eine ganz andere Bedeutung hatte.

Nature Writing von der deutschen Nordsee – perfekte Einstimmung auf den sich nahenden Frühling. Wie sehr mich diese Erzählung der Schriftstellerin und Gärtnerin Katrin de Vries eingesogen und berührt hat – ein Lesegenuss für alle, die ihren Garten, die Natur und den Lauf des Wachsens gerne beobachten und lieben. «Wir pflanzen Büsche und Bäume, wir bauen Kartoffeln an, wir lassen den Maulwurf gewähren, wir lassen die Ameisen ihre Hügel bauen, wir lassen das Vergissmeinnicht verwildern. Daran teilzuhaben, gibt uns eine Würde, wie sie vielleicht nur der Mensch bewusst erleben darf.»

Ein-Garten-offenbart-sich
«Ein Garten offenbart sich » von Katrin de Vries
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Buch­rezension von Daniela

«Eine berührende und versöhnliche Familiengeschichte, die geprägt ist von Krieg und Vertreibung.»

Die Erzählerin Özlem reist als Erwachsene mit ihrem Ehemann in das ostanatolische Dorf, in dem sie als Kind unbeschwerte Sommerferien bei den Grosseltern verbrachte. Beiläufig erwähnt ihr Onkel, dass der Ort einst von Armenier:innen bewohnt war. Erst jetzt wird ihr bewusst, dass ihre Grosseltern, selbst Angehörige einer Minderheit, nicht schon immer in diesem Dorf lebten. Doch wie hängt ihre Familiengeschichte mit dem Genozid an den Armenier:innen zusammen? Wie aus einem tiefen Schlaf erwacht, beginnt sie zu forschen, bis sie endlich den Mut fasst, ihren Vater mit der Vergangenheit zu konfrontieren. Die vagen Ahnungen der Kindheit – die unerklärbare Melancholie der Menschen im Dorf, die Geschichten über den roten Fluss – verdichten sich zunehmend zu einer schrecklichen Erkenntnis über Verfolgung und den Verlust von Sprache und Kultur. Subtil und berührend verwebt Özlem Çimen dabei Vergangenheit und Gegenwart zu einer einzigartigen Geschichte über Unschuld, Unterdrückung und Überleben.

«Babas Schweigen» beginnt mit dem Satz: «Um gross zu werden, brauchen Kinder neben Brot und Milch auch Geschichten». Ein feines Buch über Familienbande, Verlust und Verfolgung. Wo sind unsere Wurzeln, wie verstehen wir unsere eigene Familie in einer anderen, früheren Zeit?  Ein wahres Juwel ist Özlem Cimen gelungen und sie nimmt uns mit in ihre Heimat, die so süss nach Aprikosen duftet, und das Schweigen gebrochen wird. Cimen weckt mit ihrem Debütroman Verständnis und Bewusstsein für Minderheiten.

Babas-Schweigen
«Babas Schweigen» von Özlem Cimen
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Buch­rezension von Urs

«Für Liebhaber von literarisch hochstehenden Krimis.»

Ein Toter im See. Ein Hauptkommissar zurück am Ort seiner Kindheit. Eine Stadt, die zu schweigen gelernt hat. Scharfsichtig und spannungsgeladen bis zum Schluss zeigt Susanne Tägder, was geschieht, wenn Menschen um jeden Preis ihre Macht erhalten wollen. Inspiriert von einem wahren Fall.

Susanne Tägder aus Heidelberg arbeitete als Richterin in Karlsruhe, lebt heute in Rüschlikon am Zürichsee und schreibt literarische Texte. Das Schweigen des Wassers ist ihr erster Kriminalroman. Die Autorin pflegt eine klare, präzise Sprache, mit der die beschriebenen Situationen und Gefühlslagen messerscharf mit einer Prise feinen Humors umrissen werden. Sehr gerne verfolgen wir Hauptkommissar Groth durchs ländliche Mecklenburg, sehen zu wie Pils gezapft und Bockwurst aufgetischt wird und lernen bei den Fahrten auf dessen weit verzweigten Strassen und Wegen Land und Leute kennen, wo «Grüezi» «Tach» heisst. Auch den Hauptkommissar lernen wir kennen, seine Einsamkeit, die innere Stimme seiner verstorbenen Tochter, die ihn zu mehr Lebensmut überreden möchte und natürlich seine Arbeit. Eine Arbeit, die um Ermittlungen in einem ad acta gelegten Mord an einem Mädchen vor mehr als 10 Jahren und dem kürzlich in einem nahe gelegenen See ertrunkenen, alkoholabhängigen Ex-DJ/Musiker Siegmar Eck kreist. Eine Arbeit, die keine einfache ist, betrachtet doch Groths Vorgesetzter den Coldcase als definitiv abgeschlossen und Ecks Tod als bedauerlichen Unfall. Ob die beiden Fälle zusammenhängen, letzterer ebenfalls ein Mord war und welche Rolle die junge Serviererin im Ausflugslokal mit dem sinnigen Namen Erholung spielt, welche Eck offenbar näher gekannt hat und von dem alten Fall unmittelbar betroffen war, erfährt der aufmerksame Leser in kleinen, unprätentiösen Schritten und zahlreichen Begegnungen mit Bewohnern von Wechtershagen. Eine flüssig und sprachlich brillant geschriebenen Geschichte, in der äusserst brutale polizeiliche Verhörmethoden in der damaligen DDR eindrücklich, aber subtil thematisiert werden, eine bedrückende Geschichte um sinnentleerte Machtausübung und deren Erhalt in Staatsdiensten, im innersten Kreis mit Verbindungen zur Rechtsextremenszene, ein wirklich guter, authentisch wirkender Krimi, dem hoffentlich noch weitere folgen werden. Zuerst aber lassen wir uns durch das vorliegende Buch fesseln! Lesen!

 

Das-Schweigen-des-Wassers
«Das Schweigen des Wassers» von Susanne Tägder
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Buch­rezension von Sandra

«Ein Roman von radikaler Konsequenz, den man so schnell nicht vergisst.»

Was für eine Lektüre und definitiv ein in viele Richtungen bewegendes Buch! Wir sind in Afrika auf Safari, in einem Reservat und Camp. Wir lesen aus der Perspektive des Jägers (Hunter White) und verfolgen der ganzen Story wie durch ein Zielfernrohr. Fast atemlos folgen wir dem was wir da lesen und wissen nicht wie uns geschieht, denn die Figuren polarisieren und verunsichern, wer steht auf welcher Seite? Dieses Buch ist ein Lesehighlight das ich so schnell nicht vergessen werde weil Schoeters auch sprachlich zu fesseln weiss und es toll übersetzt ist. Ein Roman der fasziniert und verstört, der die Herablassung, mit der der Westen dem afrikanischen Kontinent und vor allem seinen menschlichen und tierischen Bewohnern begegnet, thematisiert. Unbedingt lesen!

Gaea Schoeters› Roman ist ein «ethischer Mindfuck» (Dimitri Verhulst) – provokant, radikal und eine erzählerische Ausnahmeerscheinung. Am Ende bleibt die Frage: Was ist ein Menschenleben wert?Gaea Schoeters› preisgekrönter Roman ist von einer außerordentlichen erzählerischen Wucht. Die Tiefenschärfe, mit der sie die Geräusche und Gerüche der Natur beschreibt, lässt einen sinnlich erleben, was einen moralisch an die Grenzen zwischen Richtig und Falsch führt. Hunter, steinreich, Amerikaner und begeisterter Jäger, hatte schon fast alles vor dem Lauf. Endlich bietet ihm sein Freund Van Heeren ein Nashorn zum Abschuss an. Hunter reist nach Afrika, doch sein Projekt, die Big Five vollzumachen, wird jäh von Wilderern durchkreuzt. Hunter sinnt auf Rache, als ihn Van Heeren fragt, ob er schon einmal von den Big Six gehört habe. Zunächst ist Hunter geschockt, aber als er die jungen Afrikaner beim flinken Jagen beobachtet….

 

Trophäe
«Trophäe» von Gaea Schoeters
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Buch­rezension von Urs

« Frische Krimispannung von der Ostsee.»

Hochsommer im deutsch-dänischen Grenzgebiet der Flensburger Förde. Fria Svensson, Leiterin des dänischen Museums für Archäologie, erhält mysteriöse Post: ein skelettierter menschlicher Finger, gefunden im nahegelegenen Thorsberger Moor, einem uralten Opferplatz. Doch die Knochen sind eindeutig neueren Datums. Fria schaltet die deutsche Polizei in Norgaard ein. Tatsächlich entdeckt das Team um Hauptkommissar Ohlsen Ohlsen sechs Moorleichen mit eingeritzten mysteriösen Zeichen auf den nackten Körpern. Das Werk eines Serientäters? Die eiligst gegründete SOKO Bog Body nimmt die Ermittlungen auf, und Frias Fachwissen ist gefragt. Zeitgleich geht bei der Polizei eine Vermisstenmeldung ein: Die siebenjährige Tilda ist verschwunden, von der überforderten Mutter viel zu spät bemerkt. Ohlsen weiß, jede Minute zählt, doch die sofort eingeleitete Suchaktion bleibt erst mal erfolglos …

Karen Kliewe hat schon einige Krimis geschrieben, die an ihrem Sehnsuchtsort, der Ostseeküste spielen. Sie berichtet uns Lesern in einer unverschnörkelten, direkten Sprache und kurzen Abschnitten auf jeweils verschiedenen Spielebenen über einen vorerst unappetitlichen Fund von zwei Fingergliedern in einer rostigen Büchse, der sich zur grauslichen Entdeckung mehrerer nackter Leichen in einem Moorsee steigert, gleichzeitig ist die Polizei mit der Suche nach der verschwundenen 7-jährigen Tilda beschäftigt. Die durch die Kollegen aus Flensburg verstärkte Ermittlungs-SoKo um Kommissar Ohlsen tappt im Dunkeln – eine mögliche Verbindung zwischen den Toten unterschiedlichen Alters führt schliesslich zu einer Volksschule. Geschickt versteht es die Autorin eine Atmosphäre der kompletten Verunsicherung zu schaffen, indem sie neben den unerklärlichen Todesfällen weitere Ungereimtheiten geschehen lässt: Die Computer des Museums, wo Fria arbeitet, scheinen gehackt worden zu sein, hinter der vordergründigen Identität des plötzlich aufgetauchten Ex-Kommilitonen von Fria verbirgt sich Geheimnisvolles, vertrauliche Details der polizeilichen Ermittlung gelangen direkt an die Presse, während eine unbarmherzige Hitzeglocke über Norddeutschland liegt. Wer zieht da welche Fäden im Dunkeln? Beklemmende Ungewissheit allenthalben, während der öffentliche Druck auf die Ermittler steigt und steigt. Als wenigstens die kleine Tilda gefunden wird, sind die Ermittler immer noch weit weg von der Lösung des Falls mit den Moorleichen. Wir lesen eine raffiniert eingefädelte, gegen Ende unheimlich spannende Story, in der es vor allem um Kinder als Opfer geht, es Raum gibt für Unausgesprochenes zwischen den Akteuren und diese schliesslich auch ihr gutes Herz gegenüber der traumatisierten Tilda zeigen dürfen. In einem dramatischen Showdown, bei dem gleichzeitig ein erlösendes Gewitter über der Gegend niedergeht, wird «finalmente» offensichtlich, wie die zahlreichen Vorfälle zusammenhängen und sich zu einem unguten Ende verdichten, für das sich die Autorin im Nachwort sogar noch entschuldigt (sic!). Gute nordische Krimis werden offensichtlich auch südlich der dänischen Grenze in Schleswig-Holstein geschrieben! Man lernt nie aus…


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«Die Brandung» von Karen Kliewe
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Buch­rezension von Daniela

«Eine geschickt erzählte Geschichte mit wahrem Hintergrund, die von Kindern erzählt, die Opfer politischer Willkür werden.»

Samuel Adler ist sechs Jahre alt, als sein Vater in Wien in der Reichskristallnacht 1938 verschwindet und seine Mutter ihn mit einem Kindertransport nach England schickt. Er verliert alles, im Gepäck seine Geige, von der er sich nicht trennen kann. Die Last der Einsamkeit begleitet ihn ein Leben lang. Acht Jahrzehnte später an der Grenze zu Arizona steigen Anita Diaz und ihre Mutter in den Zug, um der Gewalt in El Salvador zu entkommen und eine Zukunft in der USA zu finden. An der Grenze wird die siebenjährige Anita von der Mutter getrennt und kommt in ein Lager. Allein und verängstigt sucht sie Zuflucht in ihrer eigenen Fantasiewelt.

Diese fulminante historische Saga liest sich einfach und verbindet die Geschichten miteinander zweier junger Menschen auf der Suche nach Familie und Heimat. Allende erzählt von den Opfern, die Eltern bringen, und es ist ein Liebesbrief an die Kinder, die unvorstellbare Widrigkeiten überleben – und die niemals aufhören zu träumen und zu hoffen. Mich hat diese Geschichte sehr berührt und sie ist spannend erzählt.

Der-Wind-kennt-meinen-Namen
«Der Wind kennt meinen Namen» von Isabel Allende
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Buch­rezension von Urs

«Ein packendes Buch mit viel Friesland und Salzluft.»

Bei einem Spaziergang an der Küste Northumberlands stoßen niederländische Urlauber auf die Überreste einer Leiche. Eine alte Schwimmweste deutet auf eine Verbindung zu einem 21 Jahre zuvor geschehenen Unglück hin. Damals sank der Seeschlepper Pollux nördlich der Düneninsel Rottumerplaat. In einer komplizierten Mission der Seenotretter von Ameland und Norderney konnten alle Besatzungsmitglieder gerettet werden – bis auf den Kapitän. Handelt es sich bei dem geborgenen Skelett um den Vermissten?Kommissar Liewe Cupido, genannt »der Holländer«, will den Fall abgeben, ist er doch gerade mit seiner eigenen Vergangenheit beschäftigt: dem mysteriösen Verschwinden seines Vaters auf See. Doch als sein ermittelnder Kollege Xander Rimbach auf Norderney vergiftet wird, muss Cupido erneut seinen friesischen Spürsinn unter Beweis stellen.

Der bekannte niederländische Autor Mathijs Deen ist, wenn es um Geschichten geht, die sich um die Nordsee ranken immer ein sicherer Wert. Wiederum wird die vorliegende Erzählung mit der üblichen Prise sarkastischen Humors und mit viel wissenswerten Details aus Seefahrt und Nordseefischerei wunderbar bilderreich und in einer geradlinigen Sprache aufgetischt. Auch im vorliegenden Buch geht es grenzüberschreitend zu: Hier die holländischen Behörden mit der königlichen Marechaussee, da die die deutsche Inselpolizei von Norderney sowie die Bundespolizei See aus Cuxhaven mit unserem Liewe Cupido. Die Suche nach dem Grund für den 21 Jahre zurückliegenden tragischen Tod von Jacob Peiser, des Kapitäns der Schlepperschiffs Pollux erhält zusätzliche Würze durch die persönliche Geschichte von Liewe Cupido dessen Vater damals ebenfalls unter mysteriösen Umständen beim Auslegen der Netze bei schwerer See ums Leben kam. Auf der Suche nach der Wahrheit geraten die verschiedenen Ermittler durchwegs an breitrückiges Schweigen der durch die Nordsee geprägten alten Seeleute. Was verbergen sie? Interessant wird es, als Gebissuntersuchung und DNA-Abgleich ergeben, dass das aufgefundene Skelet zwar tatsächlich identisch ist mit dem tödlich verunglückten Kapitän der Pollux dieser aber nicht der Vater der vermeintlichen Tochter ist und auch eine zwielichtige Vorgeschichte auf hoher See hatte, wovon wiederum die Schussverletzung herzurühren scheint. Wir lesen eine recht komplexe Geschichte mit viel Nordsee-Atmosphäre und zahlreichen schwierigen, versteckten menschlichen Verwicklungen auch über die Verletzlichkeit und den Stolz der Seeretter, Verwicklungen, die dank der Beharrlichkeit der involvierten Ermittler zusammen mit dem wortkargen Liewe Cupido schliesslich ans Licht kommen. Ein packendes Buch, das mit viel Friesland, Salzluft und Irrungen und Wirrungen der Akteure derart kunstvoll gesponnen daherkommt, dass vordergründige Krimiaction überhaupt nicht von Nöten ist, um eine anhaltende, knisternde Spannung zu erzeugen. Lesen!

 

Der-Retter
«Der Retter» von Mathijs Deen
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Buch­rezension von Sandra

«Eine Familiengeschichte mit vielschichtigen Charakteren und ihren Geheimnissen.»

Sommer auf Cape Cod. Alle Mitglieder der Familie Gardner verheimlichen etwas. Ken, ein erfolgreicher Geschäftsmann mit Vorzeigefamilie und politischen Ambitionen, versucht mit aller Macht, seine Ehekrise zu verbergen. Abby ist Künstlerin und schämt sich dafür, immer noch auf das Wohlwollen ihres Bruders angewiesen zu sein. Adam, der Vater der zwei, sieht unterdessen seinem 70. Geburtstag entgegen. Um ein letztes Mal als Forscher zu glänzen, setzt der brillante Meeresbiologe heimlich seine Medikamente ab – mit fatalen Konsequenzen. Während Adams Festtag unaufhaltsam näher rückt, verschärfen sich die Konflikte zwischen den Geschwistern. Dann erscheint eine Unbekannte auf der Bildfläche, und bringt alles, woran Abby und Ken geglaubt haben, zum Einsturz.

Die Geschichte liest sich sehr flüssig und wird in schöner und intelligenter Sprache erzählt, die Natur und Gegend des Cape Cod wird sehr schön beschrieben. Die Figuren werden authentisch und bildhaft geschildert, wir lernen sie näher kennen und erfahren ihre Geheimnisse und Konflikte. Die schwierige Geschwisterbeziehung von Ken und Abby wird mit viel Empathie erzählt, auch die bipolare Störung von Adam lernen wir verstehen. Die Männer kommen jedoch im Buch nicht so gut weg, sie stehen gern im Mittelpunkt und stellen berufliche Ziele und Erfolge weit über ihr Familienleben.  Mein einziger Kritikpunkt ist, dass viele der angesprochenen Probleme (Seximus, Frauenfreindlichkeit, Bipolarität, Kindheitstraumata, Verlustängste) nur an der Oberfläche aufkeimen, nicht vertieft und mehr oder weniger im Sand verlaufen. Hier hätte ich mir mehr Aufarbeitung gewünscht. Trotzdem ist es ein Buch, das mir wirklich gut gefallen hat.

Treibgut
«Treibgut » von Adrienne Brodeur
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Buch­rezension von Carolin

«Zwei Familien. Eine Nacht. Eine Entscheidung, die ihr Leben für immer verändert.»

Eine Sommernacht 1985: In einem Vorort von New York steigen drei betrunkene Teenager in ein Auto – und nichts ist mehr wie zuvor. Die Geschwister Sarah und Theo zerbrechen fast an der Last des Geheimnisses, das sie seitdem teilen, und selbst 20 Jahre später bestimmt es ihr Leben. Auch ihr Vater Ben, ein pensionierter Arzt, hadert mit seiner Rolle in jener denkwürdigen Nacht. Doch als Bens Begegnung mit dem zehnjährigen Nachbarsjungen Waldo eine Kette von Ereignissen in Gang setzt, droht das Geheimnis zu platzen und ihrer aller Leben in ungeahnte Bahnen zu lenken.

Dieses Buch hat mich einfach ganz tief im Herz getroffen und war eine überwältigende Leseerfahrung. Ich konnte das Buch nicht zur Seite legen und habe es von Anfang bis Ende aufgesogen. Es behandelt die Themen Eltern-Kind-Beziehungen, Eheleben, Leben an sich, Tod und die Verbindung von allem und allen. Was ist im Leben wichtig, was zählt, welche scheinbar kleinen Entscheidungen oder das Unterlassen von Entscheidungen entscheiden über ein grosses Ganzes, und was lässt und Menschen staunen in all unseren Beziehungs-Geflechten auf der Welt und in unseren Leben. Der Roman zieht, wie durch ein Kaleidoskop blickend, durch die über 50 Jahre der beiden Familien Shenkman und Wilf. Die Autorin lässt (Lebens)Geschichten zusammenstossen, auseinanderbrechen und verbindet sie alle miteinander, wie ich mir nicht vorzustellen gewagt hatte.

Ich empfehle das Buch allen, die gerne emotional bewegende Romane lesen, die keine Angst vor den grossen Fragen im Leben haben und offen sind für eine andere Betrachtung auf das Leben, die Liebe und das Sterben . Und sich dabei gerne noch bestens unterhalten. Für mich ein emotionaler Pageturner, der mich tief bewegt hat.

Leuchtfeuer
«Leuchtfeuer» von Dani Shapiro
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Buch­rezension von Daniela

«Eine junge Frau versucht, ihre Familiengeschichte zu rekonstruieren.»

«Das beharrliche Ticken der Standuhr ist der Herzschlag der Brockenstube.» Schon dieser erste Satz hat mich fasziniert. Einmal mehr überzeugt Rebekka Salm als Geschichtenerzählerin. Und wie! Spannend bis zum Schluss.

Amsterdam 1943. In der Bäckerei von Emma fällt ein Schuss den Ihr Mann Cees tödlich trifft. Als Witwe verlässt Emma Amsterdam und flieht in die Schweiz zu einer Verwandten. Ein halbes Jahrhundert später verlässt ein Familienvater Frau und Kind, und auf der Strasse in dieser Nacht liegt eine Frau tot am Strassenrand. Jahrzehnte später begegnen sich Teresa und Mirco und verlieben sich. Die Erinnerungen an Ihre Kindheit lässt Teresa aufhorchen und sie geht auf Spurensuche und erschafft somit Stück für Stück eine gemeinsame Geschichte.

Wie-der-Hase-läuft
«Wie der Hase läuft » von Rebekka Salm
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Buch­rezension von Urs

«Ein solid verfasster Krimi mit Gommer Reiseführer Qualitäten.»

Mitten im Gommer Bergfrühling schickt Kaspar Wolfensberger seinen Ermittler Kauz Chüzz Walpen, den Üsserschwiizer Ex-Polizisten mit Gommer Wurzeln und dessen treuen Hund und Begleiter Max auf Spurensuche. Tauwetter fördert am Dorfrand von Münster eine Leiche zutage, weitere unerklärliche Todesfälle im Seniorenhaus Primavera, der zur Altersresidenz umgebauten ehemaligen Auberge, geben zu reden. Dem neuen Gemeindepfarrer, dem afrikanischen Priester Emmanuel Mbembe, ist das Haus unheimlich. Als dieser während der Messe zusammenbricht und stirbt, steht für Kauz fest, dass der schwarze Pfarrer einem Mordanschlag zum Opfer fiel. Wusste er mehr über die Vorgänge im Haus Primavera, als er Chüzz anvertraut hatte? Spielen rassistische Motive bei dem Verbrechen mit?

Kaspar Wolfensberger, praktizierender Psychiater in Zürich mit Walliser Wurzeln, hat schon drei zu verschiedenen Jahreszeiten handelnden Gommer-Krimis geschrieben. In dieser vierten recht gemächlichen mit vielen lokalen Details ausgeschmückten Erzählung führt der Autor uns Leser diesmal in den Frühling im Oberwallis, ins Goms, wo man nach 12 Uhr «güetän Abend» sagt. «Kauz» Walpen, Detektiv und Hauptperson auch in dieser Geschichte, verdankt seinen Übernamen den leicht hängenden Lidern seiner ansonsten sehr wachen, eulenhaften Augen.  Seinen richtigen Vornamen Alois mag er dagegen gar nicht. Begleitet wird er in der Regel von Hund Max. Kaspar Wolfensberger legt auch in dieser Geschichte den auftretenden Einheimischen oft Dialektbrocken ins Maul und spielt gerne verschmitzt mit den kleinen Animositäten zwischen den Oberwallisern und den Üsserschwiizern. Schritt für Schritt entsteht ein deutlicheres Bild des abgeschotteten sektiererischen Hauses Primavera mit seinen geheimnisvollen Geldgebern, einer Institution, die in der Gemeinde Münster, insbesondere wegen derer Leitung, als Fremdkörper, als Enklave wahrgenommen wird und in der gehäuft Todesfälle aufzutreten scheinen. Nach dem tödlichen Zusammenbruch des schwarzen Pfarrers Mbembe während der Messe werden deshalb die Ermittlungen durch die Walliser Polizei dort intensiviert, denen sich auch Kauz, der eine freundschaftliche Beziehung zu dem Pfarrer hatte, anschliesst. Schritt für Schritt gelangt Licht in die dubiosen Vorgänge im und um das Haus Primavera in dem ein Todesengel sein Unwesen treibt. Schlimm, änds schlimm! Tiiflisch! Wir lesen einen voluminösen Gommer Krimi mit schicksalshaften Ausflügen bis nach Afrika, in dem neben dem undurchsichtigen Altenheim in Münster auch zahlreiche detailliert beschriebenen Besonderheiten aus dem Oberwallis Platz haben, von den seltenen Grengjer Tulpen, dem Rotten, den Traubenkirschbäumen und ihrem Gespinstmottenbefall, der Furka-Dampfbahn, dem Grand Hotel Gletsch, dem verlassenen Hotel Miraval bis zu den Walliser Sagen und dem Gratzug der Seelen der Verstorbenen. Ein solid verfasster Krimi mit Gommer Reiseführer Qualitäten – unbedingt mitnehmen auf die nächste Ferienreise ins Oberwallis. Oder vielleicht steht das Buch ja bereits im Büchergestell des Aufenthaltsraums vom Hotel Glocke In Reckingen? Und dies zurecht, denn der Clou der Erzählung ist wirklich sehr unerwartet, haben doch einige Leute mehr Dreck am Stecken als ursprünglich vermutet, andere wiederum werden post festum von einem schrecklichen Verdacht entlastet und das Gift, ja das Gift – wie das in den Körper des Opfers, oder der Opfer, gelangte – ein Festfressen für den Toxikologen! Also auf zum Bücherkauf zu Buch Bellini oder nach Reckingen ins Hotel! Wenn nit heuto dann morgu…

Gommer-Frühling
«Gommer Frühling» von Kaspar Wolfensberger
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Buch­rezension von Urs

«Irrwitziger Krimi mit viel Züri-Feeling.»

Der ehemalige Kommandant der Stapo Zürich Thomas K. Hilvert sitzt in der Strafanstalt Pöschwies in Regensdorf wegen selbst eingestandenen Mordes an seinem Vorgänger. Bruno Jaun sein Assistent, der ihn da regelmässig besucht, wird zunächst aufs Abstellgleis im Keller versetzt, erhält danach jedoch immerhin noch die Stelle als Assistent bei dem jungen, aufstrebenden Stojan Markovic von der Kriminalabteilung, der für Kommissar Walter Bitterlin arbeitet. Und Arbeit gibt’s genug: Ein ungeklärter Giftmord mit Rizin an der Topmanagerin Jolanda Luginbühl von einer weltweit agierenden Rohstofffirma, die unter anderem im Abbau von Coltan im Kongo tätig ist. Als bekannt wird, dass Jolanda Luginbühl mit einem Umweltaktivisten in Kontakt war, welcher mit dem Fahrrad in Zürich unter mysteriösen Umständen tödlich verunglückte und dass dieselbe Luginbühl danach sich intensiv mit einem Juristen ihrer Firma austauschte, der dann seinerseits wiederum mit Rizin vergiftet in seinem Gartenhaus gefunden wurde, scheinen die Ermittlungen langsam, langsam Fahrt aufzunehmen. Ermittlungen, die sich stark auf Eliza Hubacher, der Freundin des Umweltaktivisten, als Zeugin fokussieren.

Severin Schwendener stammt aus dem Thurgau, schloss ein Biologiestudium an der ETH Zürich ab, arbeitet im Bereich Biosicherheit für den Kanton Zürich und schreibt Kurzgeschichten und Krimis für Jugendliche und Erwachsene. Die Sprache ist schweizerisch direkt und unkompliziert aber schon mit den ersten Zeilen sind wir mittendrin in einer im Gegensatz zur Sprache sehr komplizierten, verwickelten Geschichte. In der Strafanstalt Pöschwies sitzt nämlich ausgerechnet der Kommandant a.D. der Stapo Zürich wegen selbst eingestandenen Mordes an seinem Vorgänger, scheint aber dennoch auf unergründlichem Wege weiterhin an dem aktuellen schwierigen Fall mitzumischen, den die Stapo mit Kommissar Bitterlin, seinem jüngeren Mitarbeiter Stojan Markovic und dem neuen Kommandanten Zurbriggen beschäftigt: dem Giftmord mit Rizin an der Topmanagerin eines Rohstoffkonzerns. Severin Schwendener  präsentiert uns eine wahrhaft verrückte Geschichte reich an Ränkespielen mitten in der doch so wohl geordneten Zwinglistadt Zürich, mit einem äusserlich superkorrekten, bei genauerem Hinsehen sehr cleveren Polizeiassistenten, der irgendwie zwischen den Fronten agiert, mit einem gut aussehenden ehrgeizigen jungen Ermittler mit BMW Sportwagen, der beim Beischlaf mit einer ebenso gut aussehenden vermeintlichen Zeugin erwischt wird, mit einem zähen, sehr fleissigen Kommissar , der faktisch in seinem Büro lebt und mit einem verzweifelten neuen Polizeikommandanten, der eigentlich für Ruhe und Übersicht in einer für die Stapo ausserordentlich schwierigen Zeit sorgen sollte. Ein irres sich rasch drehendes Personenkarussell, Ermittler, die ihr eigenes Süppchen kochen, ein katastrophales Machtgerangel um das Kommando der Stapo Mord inklusive, eine verdächtigte global aktive Rohstofffirma, viele Fährten, die in die Irre führen, denn am Schluss fällt die in den Köpfen der Ermittler keck aufgebauschte Story in sich zusammen zu einem Rachefeldzug einer unerfüllten Liebe. Wer ein Politthriller erwartet hat, wird schliesslich feststellen müssen, ein Psychodrama gelesen zu haben. Enttäuschung hingegen ist fehl am Platz, denn dieser fiese Krimi könnte auch von Friedrich Dürrenmatt geschrieben worden sein!

Schemen--Haft
«Schemen & Haft» von Severin Schwendener
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Buch­rezension von Urs

«Dieser Thriller von Bestsellerautor Marc Raabe bringt Sie um den Schlaf!»

Im Königswald wird eine bizarr arrangierte Leiche gefunden, halb Mensch, halb Tier. Art Mayer und Nele Tschaikowski identifizieren die Tote als Charlotte Tempel – eine gefeierte Wohltäterin, bei allen beliebt und für den wichtigsten Medienpreis des Landes nominiert. Schnell gerät Tempels 21-jährige Tochter unter Verdacht: Leo ist rebellisch, unberechenbar und zeichnet ein ganz anderes Bild ihrer Mutter. Doch Art Mayer zweifelt an ihrer Schuld. Bis eine zweite Frau aus dem Kreis der Nominierten stirbt. Zunächst deutet nichts auf Leo, doch dann taucht ein mysteriöses Tonband mit belastendem Inhalt auf. Wer ist Leo – ein Opfer der Umstände? Oder die jüngste Serientäterin von Berlin, unterwegs zu ihrem dritten Opfer?

Marc Raabe ist Filmproduzent und bekannter Autor von Thrillern. Auch in dieser Geschichte wird die Handlung in die gesellschaftspolitische Gegenwart Deutschlands eingebettet. Klimaaktivisten, repräsentiert durch Leo der Tochter der ermordeten Millionenerbin, werden thematisiert. Der Autor, der eine eingängige, flüssige gut lesbare Sprache pflegt, vermag seine Figuren gekonnt sehr plastisch darzustellen, indem er bei ihnen auch Schwächen, Ängste zulässt: Die beiden am Mord an der Witwe des Waffenhändlers ermittelnden Beamten des BKA, die schwangere Nele Tachaikowski, welche an an einem Angsttrauma herrührend von einem unverarbeiteten Fall leidet und ihre Kollege Art Mayer, der zuckerkrank ist und wiederholt  vergisst sich die fällige Spritze zur rechten Zeit zu verabreichen. Dass der amtierende Bundeskanzler als Freund von Art und Gatte seiner Geliebten auftritt mag dem Leser als gewagt erscheinen und kann der ausufernden Fabulierkunst des Autors zugeschrieben werden.  Marc Raabe entwickelt die Story um die als grauenerregende, zu einem Fabelwesen mit Hirschgeweih inszenierten Leiche der ermordeten Witwe eines Waffenhändlers virtuos und legt auf dem langen, gewundenen Weg bis zur Identifizierung des Täters gekonnt diverse falsche Fährten. Immer mehr als Angelpunkt des Krimis entpuppt die in eingeschobenen Kapiteln erzählte Geschichte einer sehr jungen Frau, festgehalten auf einer Tonbandkassette. Es ist die von ihr selbst gesprochene erschreckende Erzählung ihrer Flucht gegen Ende ihrer Schwangerschaft, ihren verlorenen Kampf um ihr Kind. Für Spannung und gute Unterhaltung ist also gesorgt, denn es ist bald ein weiteres mit einem Hirschgeweih ähnlich inszeniertes Opfer zu beklagen. Besteht ein Zusammenhang zwischen diesen Verbrechen und dem «Hirsch» genannten prestigeträchtigen Medienpreis für besondere Verdienste an der deutschen Gesellschaft? Wer ist die Urheberin der an ihr Kind gerichteten Tonbandaufnahmen? Fragen über Fragen…. Denn da wäre noch die drängende Frage nach den leiblichen Eltern von Leo, die Frage nach dunkeln Stellen in der Vergangenheit des Bundeskanzlers, auch die Frage nach den Widersachern von Letzterem, die ihn nur zu gerne abgesetzt sehen und schliesslich die bange Frage, welche Fäden eigentlich in jener geheimnisumwitterten von zahlreichen Promis besuchten Psychologiepraxis zusammenlaufen. Die letzte Frage dann: Lesen wir gar kein Politdrama, sondern einen ausgefuchsten Psychothriller? Keine Bange liebe Leser: Die Antworten auf all diese Fragen werden schliesslich gegeben, lassen wir also getrost die BKA-Leute um Art Mayer und Nele Tschaikowski ihre Arbeit machen. Für uns Leser aber bleibt das reine Vergnügen einen guten sehr komplex aufgegleisten Krimi mit Bezügen zu aktuellen Themen lesen zu dürfen! 

 

Die-Dämmerung-Art-Mayer-Serie-2
«Die Dämmerung» von Marc Raabe
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